Katholische Universität Eichstätt
Lehrstuhl für Alte Geschichte
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Jede wissenschaftsgeschichtliche Betrachtung der Altertumswissenschaften in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wird schnell auf die Schwierigkeiten der Urteilsbildung stoßen[1]. Es gibt allerdings selbst für diese Zeit aus der Rückschau eher "einfache" Antworten: Wenn es etwa um die Schicksale der Entlassenen geht[2], um jene, die gar nicht erst zur Habilitation zugelassen wurden[3], und natürlich auch um diejenigen, deren mutige Distanz zum Regime selbst in ihren Publikationen faßbar ist.[4]
Schwieriger ist die Beurteilung bei der großen Zahl aller der Gelehrten,
die ihre Laufbahn unbehelligt fortgesetzt haben: Nicht jede zeitgerechte
Formulierung macht einen Autor schon zum willigen Befürworter der
nationalsozialistischen Herrschaft. Ein erhellendes Beispiel ist die Laufbahn
Joseph Vogts in jenen Jahren: Es fällt nicht leicht, gedruckte oder
ungedruckte Äußerungen angemessen zu bewerten in der
Auseinandersetzung mit den Erläuterungen derer, die den Verfasser aus
langer Kenntnis persönlich beurteilen können[5].
Andererseits gab es aber auch die - keineswegs sehr zahlreiche - Gruppe von
Altertumswissenschaftlern, deren Kompromittierung so erheblich ist, daß
eine bewertende Einordnung ihrer Wirksamkeit leichter fällt. Innerhalb
dieser Gruppe von Universitätslehrern, deren nationalsozialistische
Verkürzung der Altertumswissenschaft außer Frage steht, spielt Hans
Oppermann, dem der folgende Beitrag gilt, aber noch eine besondere, nicht immer
genügend wahrgenommene Rolle.[6]
In den Jahren 1933-1945 war er, wenn man das gesamte wissenschaftliche
Schrifttum dieser Jahre zu überschauen versucht[7], der lauteste und fleißigste
Propagandist einer "neuen" Art der Wissenschaft; seine Schriften
verdeutlichen, wie sich die "offizielle" Altertumswissenschaft hätte
entwickeln können.
Eine Betrachtung der gedruckten Veröffentlichungen Oppermanns, deren
"Interpretation", im Unterschied zu zeitgebundenen
altertumswissenschaftlichen Beiträgen anderer Fachkollegen, geringe
Schwierigkeiten macht, kann ergänzt werden durch die Freiburger
Berufungsakten zur Wiederbesetzung des Lehrstuhls Schadewaldt, die
Aufschluß geben über die Rolle Oppermanns innerhalb der Freiburger
Fakultät. So ist es möglich, die Karriere Oppermanns seit 1933 noch
aus einer anderen Perspektive zu fassen.[8]
Oppermann hat sich nicht auf "völkisches" Geraune beschränkt. Er
ist wohl der einzige Universitätsprofessor im Bereich der
Altertumswissenschaften, dessen Antisemitimus nicht nur in Nebensätzen
durchscheint, sondern der auch bereit gewesen ist, seine Fachkenntnisse im Stil
des "Stürmer" für ein "Schulungsheft" der Partei umzusetzen. Diese 32
Druckseiten aus dem Jahre 1943 gehören zweifellos zur Gruppe jener
antisemitischen Propagandamaterialien, die der geistigen Vorbereitung und
Unterstützung des Holocausts dienen sollten.[9]
Ist diese Laufbahn eine eigene Untersuchung überhaupt wert ? Der
Wissenschaftler Oppermann hat, verglichen mit anderen Altertumswissenschaftlern
seiner Generation, wohl keine über den Tag hinausweisende, auch heute noch
wirkende wissenschaftliche Leistung hinterlassen. Nicht seine heutige Bedeutung
als Klassischer Philologe, sondern seine Karriere im Dritten Reich ist von
wissenschaftsgeschichtlichem Interesse: Immerhin hat er fast acht Jahre lang,
von 1934 - 1941, die Latinistik in Freiburg vertreten. Im Jahre 1937 hätte
er beinahe einen Ruf nach München als Nachfolger von Johannes Stroux
erhalten[10]; seit 1941
war er Ordinarius an der von den Nationalsozialisten besonders geförderten
"Reichsuniversität" Straßburg.[11]
Hans Oppermanns akademische Laufbahn war im Mai 1945 zu Ende. Danach wird er
zum Exemplum für die deutsche Nachkriegsgeschichte. Der Straßburger
Gelehrte wirkte nach dem Verlust seines Lehrstuhls seit 1949 im Schuldienst und
bald sogar als Leiter des Hamburger Johanneums, eines der führenden
humanistischen Gymnasien der Nachkriegszeit.
Derselbe Hans Oppermann, der in den Kriegsjahren die Vorzüge der
"nationalsozialistischen" Wissenschaft propagierte, wurde seit 1949 ein
beredter humanistischer Erzieher der Jugend, und daneben ein
vielbeschäftigter Autor der "Wissenschaftlichen Buchgesellschaft". Als
Herausgeber thematisch zentraler Bände in der Reihe "Wege der Forschung"
wurde er zu einem wichtigen Vermittler der Altertumswissenschaft - auch dies,
aus der Rückschau, eher Kontinuität als Neubeginn.[12]
Hans Oppermann wurde 1895 in Braunschweig geboren[13]; wenn der Lebenslauf seiner Bonner Dissertation ein Urteil erlaubt, stammt er aus eher bescheidenen Verhältnissen, im Unterschied wohl zur Mehrzahl der akademisch erfolgreichen klassischen Philologen dieser Generation.[14]
Die Entscheidung, das Studium 1912 in Bonn aufzunehmen, war eine Entscheidung
gegen die anderen akademischen Metropolen, zumal gegen Berlin[15]: Der Streit der
Schulen sollte später in Berufungsfragen keine geringe Rolle spielen. Die
Teilnahme an den beiden letzten Jahren des Weltkrieges war
Generationsschicksal; wie viele andere haben diese Jahre Oppermann keineswegs
zum Pazifisten gemacht: Sein "Kriegserlebnis" taucht noch 1941 in einem
Bericht aus dem Frankreich-Feldzug auf[16].
Oppermanns akademischer Lehrer wurde August Brinkmann, dem er persönlich
offenbar eng verbunden war; die gemeinsame Herkunft aus Braunschweig wird
vielleicht von Bedeutung gewesen sein. Oppermann schreibt den Nachruf seines
Lehrers in Bursians Jahrbüchern, sowie eine Würdigung im
Braunschweiger Magazin.[17] Die Dissertation von 1920 behandelt,
auf überwiegend epigraphischer Grundlage, ein Thema aus der griechischen
Religionsgeschichte.[18] Nach der Promotion gelingt es
Oppermann, den Anschluß an die Wissenschaft zu behalten: In Greifswald
konnte er die lateinischen und griechischen Sprachkurse abhalten und erhielt
dadurch Gelegenheit zur Habilitation.[19]
Die Habilitation - Studien zur Biographie Plotins, zusammen mit Studien zur
Textüberlieferung - im Jahre 1926 kann so reibungslos nicht gewesen sein[20]. Nicht die beiden
klassischen Philologen Dornseiff oder Ziegler haben ihn gefördert, sondern
der Althistoriker Walter Kolbe[21]. Die Habilitation lautet denn auch
nicht auf die zu erwartende "klassische Philologie", sondern auf
"klassische Altertumswissenschaft". Dies war, nach den entsprechenden
Personal-Nachrichten im Gnomon zu urteilen, eine ungewöhnliche
Entscheidung[22].
Mit der Wahl des Plotin-Themas hatte sich Oppermann erneut der Gräzistik
zugewandt; auch die übrigen Publikationen bis Ende der zwanziger Jahre
weisen ihn als Spezialisten für die griechische Literatur aus; eine
gleichzeitige intensive Arbeit an lateinischen Texten geht wenigstens aus dem
Schriftenverzeichnis nicht hervor[23]. Wenn das Schriftenverzeichns ein
Maßstab sein kann, dann galten die wissenschaftlichen Interessen
Oppermanns in diesen Jahren ganz der griechischen Literatur. Der Aufsatz
über Herophilos bei Kallimachos zeigt ihn als Kenner der antiken Medizin[24]; mit seiner
Bearbeitung einer älteren Teubner-Ausgabe der Athenaion Politeia
profilierte er sich als Editor[25].
Die im engeren Sinne wissenschaftlichen Produktion Oppermanns gibt keine
Hinweise auf seine politischen Sympathien; anders ist dies bei den
Veröffentlichungen für einen weiteren Leserkreis: ein Aufsatz
über das römische Trier bebt förmlich von vaterländischem
Gefühl nach dem Ende des Weltkrieges[26]. Aus der Rückschau recht
merkwürdig ist der Nachruf auf Hermann Diels in den "Preussischen
Jahrbüchern" aus dem Jahre 1922.[27] Ziemlich unvermittelt steht hier die
Würdigung eines Gelehrten zusammen mit unerwarteten Hinweisen darauf,
daß die neue Zeit einen neuen Stil der Wissenschaft erfordere: Mit dem
Tode von Hermann Diels "sinkt eine ganze Entwicklungsphase unserer Wissenschaft
ins Grab". Das Ende des Weltkrieges ist für Oppermann auch ein
wissenschaftsgeschichtlicher Einschnitt:
"Nicht nur äußerlich ist die internationale Organisation der Wissenschaft zusammengebrochen, das Chaos, das der Weltkrieg auch auf geistigem Gebiet zeitigte, beweist, daß die Generation des wilhelminischen Zeitalters nicht imstande gewesen ist, die geistigen Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen und richtunggebend zu bestimmen. Auch unsere Wissenschaft muß neue Wege suchen. Ihre Hauptaufgabe muß sein, tätigen Anteil an der inneren Wiederaufrichtung unseres Volkes zu nehmen".[28]
Der "nationale" Ton des jungen Oppermann ist mit seinem Vokabular noch keineswegs auffällig; er entspricht dem konservativen Teil des "Zeitgeistes"[29]. Der völkische Tonfall verbindet sich freilich mit der unverhohlenen Selbsteinschätzung, bei dieser künftigen Aufgabe eine führende Rolle übernehmen zu sollen. Diese "Offenheit" ist durchaus auffällig: Kaum einer seiner akademischen Generationsgenossen ist, soweit ich dies überblicke, schon aufgrund seiner Publikationen einer politischen Richtung zuzuweisen. Oppermanns späterer politischer Aktivismus kommt deshalb nicht von ungefähr.
Im Jahre 1928 hat sich Oppermann von Greifswald nach Heidelberg umhabilitiert,
vermutlich wegen der Möglichkeit, dort besoldete Sprachkurse abhalten zu
können.[30] Am 12.
Januar 1929 hielt er seine Antrittsvorlesung über römische Literatur:
"Aufklärung und Dekadenz im Rom der späten Republik". Diese
Vorlesung ist nicht veröffentlicht worden; der Tenor dürfte
faßbar sein in den späteren einschlägigen Bemerkungen über
Sallust, die augusteischen Dichter und über Augustus.[31] Der Titel der Vorlesung wird die
Wertung vorweggenommen haben, die später vielfach formuliert wird: Die
ausgehende Republik war reif für eine neue Ordnung. Solche "konservativen"
Gedanken waren damals durchaus verbreitet, wenngleich sie nicht schon im Titel
einer altertumswissenschaftlichen Antrittsvorlesung greifbar zu sein pflegten.
Im September 1932 erhielt Oppermann den Titel eines außerordentlichen
Professors, der freilich ein bloßer Ehrentitel war[32]. Erst in den frühen dreißiger
Jahren hat Oppermann sich ganz der lateinischen Literatur zugewandt; will man
aus seinen Schriften dieser Zeit eine Erklärung dafür finden, dann
war es vielleicht die von ihm so verstandene Parallele zwischen dem Zeitalter
der späten Republik und Weimar, die ihn eine ähnliche Lösung wie
für Rom erhoffen ließ: Sein Augustus hieß Hitler.
In Heidelberg wirkte Oppermann als Privatdozent. Seit dem Wintersemester
1929/1930 las er überwiegend zur lateinischen Literatur. Zwei Vorlesungen
der Heidelberger Zeit fallen aus dem üblichen Rahmen: "Der Humanismus
und die europäische Kultur der Gegenwart" (Vorlesung für alle
Fakultäten) im WS 1930/1931 sowie im WS 1933/1934 "Antike und nationale
Bildung".
Was ihm fehlte, war eine besoldete Position. Privatdozenten der Klassischen
Philologie gab es 1933 mehrere - abgesehen von denjenigen, denen eine Laufbahn
jetzt verwehrt war. Zu den Konkurrenten gehörte eine Reihe später
bedeutender Gelehrter[33].
Bis zur Machtergreifung Hitlers hat Oppermann nichts publiziert, was seine
Begeisterung für den Nationalsozialismus klargestellt hätte,
über die verbreiteten "völkischen" und "konservative" Sympathien
hinaus. Dies ändert sich sturzbachartig seit 1933: Seit diesem Jahr ist
Oppermann, soweit sich dies an publizierten Äußerungen nachweisen
läßt, einer der eifrigsten politisierenden Publizisten unter den
Altertumswissenschaftlern, bis zum kriegsbedingten Stillstand der
Druckerpressen.
Die Universität Freiburg spielte im Jahre 1933 eine besondere Rolle bei der von den Nationalsozialisten geplanten "Neuordnung" des deutschen Universitätswesens, und in Freiburg hatte sich Martin Heidegger besonders dafür eingesetzt.[34]
Die Klassische Philologie wurde im Jahre 1933 von Wolfgang Schadewaldt[35] und von Eduard
Fränkel vertreten; daneben gab es noch, bisher übergangen bei jeder
Berufung und mit 52 Jahren mittlerweise fast zu alt, den Lektor Wolfgang Aly[36]
Schadewaldts Lehrstuhl wurde durch die Berufung nach Leipzig zum 1. Oktober
1934 bald vakant[37];
die Kommission für die Nachfolge Schadewaldt trat bereits im
Sommersemester 1933 zusammen; die Liste war am 8. Juni 1934 fertig[38]
Noch schneller war allerdings der Lehrstuhl für Latinistik vakant: Eduard
Fränkel wurde sofort entlassen, zusammen mit vielen anderen jüdischen
Wissenschaftlern[39].
Eduard Fränkels Lehrstuhl wurde nicht neu ausgeschrieben; das Karlruher
Ministerium (unter der Federführung des nationalsozialistischen Aktivisten
Eugen Fehrle[40])
setzte Hans Oppermann als "Vertreter des zur Ruhe gesetzten Prof.
Fraenkel" ein[41]. Seit
dem Sommersemester 1934 hat Hans Oppermann in Freiburg die Latinistik
vertreten, bis zu seiner "Beförderung" an die "Reichsuniversität"
Straßburg im Oktober 1941[42].
Oppermanns "Berufung" als Latinist in der Nachfolge Eduard Fränkels
erklärt sich mit einiger Sicherheit nicht durch seine Publikationen zur
römischen Literatur. Er hatte erst in den vergangenen drei Jahren einige
Beiträge zu Caesar und zu Vergil veröffentlicht, die wohl kaum die
Grundlage für eine solche Auszeichnung abgeben konnten.[43]
Dafür war Oppermann schon in Heidelberg einer der ganz wenigen
habilitierten Altertumswissenschaftler, der eindeutig Position bezog:
Bekennertum dieser Art war eher die Domäne von alten Schulmännern[44]. Auch die
Mitgliedschaft in der SA war im Kreise habilitierter Altertumswissenschaftler
die Ausnahme von der Regel[45]
Der Heidelberger Privatdozent hatte nicht nur im Kultusministerium
Förderer, sondern auch in Freiburg selbst. Die Fakultätsgeschichte
des Jahres 1933 wird in einem Bericht der Freiburger Universität vom 1.
August 1945 zur Kenntnisnahme der französischen Behörden etwas besser
verständlich. Der hier interessierende Abschnitt über die
Fakultät lautet[46]:
Vor 1933 war in ihren Reihen von einem Eindringen nationalsozialistisher Ideen und von politischen Meinungsverschiedenheiten so gut wie nichts zu bemerken. Einen starken Umschwung brachte das Jahr 1933, in dem der Philosoph Heidegger Rektor wurde und unter seinen Anhängern in der Fakultät, insbesondere bei dem von ihm ernannten Dekan Schadewaldt, kräftigste Unterstützung fand. Schadewaldt sorgte bei seinem Weggang nach Leipzig 1934 und beim Abgang des jüdischen Philologen (sic !) Fränkel unter starker Ausnützung des Führerprinzips für die Neubesetzung beider Lehrstühle durch radikale Nationalsozialisten (Oppermann und Bogner).
Leicht dürfte es für Oppermann bei seiner Ankunft in Freiburg demnach nicht gewesen sein, gerade wegen der Förderung durch das Karlsruher Ministerium. Die Kriterien der Freiburger philosophischen Fakultät bei ihren Beratungen über die Nachfolge Schadewaldt dürfen wohl ohne weiteres auf die Frage einer Neubesetzung der Stelle Eduard Fränkels übertragen werden. Die Fakultät legte am 8. Juni 1934 ihr Votum für die Nachfolge Schadewaldt vor. Karl Reinhardt und Richard Harder standen gleichberechtigt auf der ersten Stelle, Bruno Snell und Kurt von Fritz an der zweiten bzw. dritten Stelle. Die laudatio läßt erkennen, daß allein Karl Reinhardt der von der Fakultät gewünschte Kandidat war. Das Votum der Fakultät vom 8. Juni 1934 orientiert sich allein an sachlichen Gesichtspunkten[47]:
Der Universität Freiburg soll der hohe Rang gewahrt werden, den sie unter den deutschen Universitäten seit drei Jahrzehnten behauptet. Die an erster Stelle genannten gehören zu den in In- und Ausland geachtetsten Vertretern der deutschen Altertumswissenschaft. (....)
Die Berufungskommission hat bei der Aufstellung ihrer Vorschlagsliste auf das sorgfältigste alle irgend in Betracht kommenden Dozenten der griechischen Philologie gewertet. (...) Wir müssen wieder eine Kraft gewinnen, die wie Ed. Schwartz, Deubner, Pfeiffer, Schadewaldt uns auch aus dem ausserbadischen Reich Schüler zuführt. (...)
Wir haben uns bei ihrer Auswahl an keine bestimmte Schule gebunden. In einem aber dürften sie gleichgerichtet sein, das für die Wirkung auf unsere heutige Jugend entscheidend sein muß: in dem Streben, die Antike in ihrem innersten geistigen Kern, in ihrer schöpferischen Kraft zu erfassen. In der Auseinandersetzung mit dieser ist deutsche Art und deutsches Geistesleben immer wieder zu Höchstleistungen geführt worden.
Da die Auswahl des Nachfolgers für Schadewaldt durch ein reguläres Berufungsverfahren erfolgte, versuchte die Fakultät mit großer Energie, an der Berufung Karl Reinhardts festzuhalten; die ganz überraschende Ankunft Hans Bogners war erst möglich, als plötzlich selbst Friedrich Pfister, der nach der endgültigen Ablehnung Reinhardts durch das Ministerium die besten Aussichten hatte, der Fakultät aufgezwungen zu werden, nicht mehr linientreu genug war[48].
Oppermann kam, anders als Bogner, gar nicht erst durch ein Berufungsverfahren
nach Freiburg. sondern wurde als "Vertreter" Eduard Fränkels vom
Ministerium eingesetzt. Wenn er also zunächst auch nicht im formalen Sinn
der Nachfolge Fränkels war[49], so war er aber doch der einzige
Fachvertreter der Latinistik bis zu seiner Berufung nach Straßburg. Das
Reichsministerium ließ auch keinen Zweifel daran, daß Oppermanns
"Berufung" nach Freiburg endgültig sein sollte.[50]
In Freiburg galt Oppermann als "Obernazi"[51]; im Mai 1937 stellte er seinen Antrag
auf Aufnahme in die NSDAP[52]. Seine gesinnungstüchtigen
Lehrveranstaltungen[53]
und Publikationen der nächsten Jahre sind dabei zusätzlich unter dem
Aspekt zu lesen, daß er einen dauernden Kampf um den Status seiner
Freiburger Position mit seinem Kollegen Hans Bogner führte, der
später als er selbst nach Freiburg gekommen war, aber die Förderung
des Dozentenbundführes Aly bei seinem Wunsch hatte, durch die geplante
Streichung eines Lehrstuhls der katholischen Theologie ein volles Ordinariat zu
erhalten[54].
Es ist bekannt, daß sich auch etablierte Wissenschaftler an den "programmatischen" Diskussionen des Jahres 1933 beteiligt haben.[55] Mustert man aber das damalige Schrifttum in seiner Gesamtheit, dann kamen für die regelmäßige Mitarbeit an Kongressen und Sammelwerken im Stil der neuen Zeit in den ersten Jahren vor allem drei Autoren immer wieder in Betracht: Wolfgang Aly, Hans Bogner und Hans Oppermann.
Aly schrieb gerne über den Gesamtbereich des Altertums[56], Hans Bogner entdeckte den Wert der
Griechen für den Nationalsozialismus, und Hans Oppermann machte sich
für den Bildungswert des Lateinischen auch unter veränderten
Bedingungen stark. Die Klassische Philologie Freiburg nimmt so aus der
Rückschau in den Jahren seit 1933 eine Sonderstellung ein[57]: Sämtliche drei
klassische Philologen Freiburg publizierten regelmäßig im Sinne einer
"nationalsozialistischen" Altertumswissenschaft. Dies fällt besonders
bei einem Gesamtüberblick über die "wissenschaftlichen" Publikationen
dieses Stils im Dritten Reich auf. Neben den altgewordenen Schulmännern,
die sich 1933 zu Wort melden, und den (im Vergleich zum jeweils gesamten
Oeuvre) vereinzelten programmatischen Äußerungen anderer Gelehrter
gibt es sonst nur wenige andere Vertreter der Altertumswissenschaft, die sich
über die gesamte Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft so
systemkonform geäußert haben. Innerhalb dieser Gruppe fällt Hans
Oppermann aber noch einmal auf - weniger durch die Regelmäßigkeit
seiner Beiträge auch im didaktischen Bereich, sondern durch die sich
steigernde Radikalität seiner Äußerungen, bis hin zur
Hetz-Broschüre über die Juden. Er wird so zum exemplarischen
Vertreter einer von bildungsbürgerlicher Camouflage gänzlich freien
"nationalsozialistischen" Altertumswissenschaft[58].
Oppermann war sich offenbar darüber im Klaren, daß sein Auftreten in
Wort und Schrift von der Mehrzahl seiner Fachkollegen nicht nur in Freiburg in
keiner Weise honoriert werden würde[59]; dies kann man schließen aus der
Art, wie er als dienstälterer Freiburger Kollege ein
Gefälligkeitsgutachten über den von ihm stillschweigend
mißachteten Hans Bogner formuliert, der im Jahre 1940 zum ord. Professor
befördert werden sollte. Oppermanns Rede von der "anderen Seite", die
Bogner gewürdigt habe, spricht Bände über das, was er innerhalb
der Freiburger Fakultät an Skepsis voraussetzte:
Eine solche Maßnahme entspricht sowohl der Bedeutung des Lehrstuhls als den Leistungen des Herrn Bogner, der in immer neuen Ansätzen seiner Wissenschaft neue Wege gezeigt und fruchtbare Anregungen gegeben hat. (...) Bogners Arbeit hat auch die äußere Anerkennung von anderer Seite nicht gefehlt, wie seine Berufung in das Reichsinstitut für Geschichte des neueren (sic) Deutschland zeigt[60].
Oppermanns Straßburger Zeit ist kaum faßbar, wie überhaupt die Geschichte der Geisteswissenschaften an der "Reichsuniversität" noch weiterer Nachforschung bedürfte[61]. Die im Vorlesungsverzeichnis angekündigten Lehrveranstaltungen sind vom Titel und vom Thema her überwiegend "fachlich"[62]. Oppermann scheint einer der wenigen Professoren der "Reichsuniversität gewesen zu sein, die bis zur Internierung durch die französischen Behörden geblieben sind - der Rektor der "Reichsuniversität" amtierte bereits im Januar 1945 von Tübingen aus[63].
Hans Oppermanns Beiträge zum "erzieherischen Wert" der Antike im Allgemeinen und der lateinischen Literatur im Besonderen sind seit 1933 in ihrer Argumentation absehbar. Der völkische Gedanke, seit den zwanziger Jahren für Oppermann vertraut, findet sich gleich im Jahre 1933 verschärft zum rassistischen Leitbild[64]. Der "Humanismus" ist vergangen, der Bildungswert der Antike muß neu begründet werden. Während andere "Programmatiker" die Beschäftigung mit dem Griechentum retten wollen, sucht Oppermann Argumente für den Fortbestand des lateinischen Unterrichts an Schulen und Universitäten. Den Wert des Lateinischen will er vor allem durch die vielfach beschworene Parallele der augusteischen Zeit zur "deutschen Gegenwart" retten[65]:
Das Rom um die Wende unserer Zeitrechnung ist bewußte Neuschöpfung, durch die der Römer noch einmal dem Chaos Einhalt gebietet und seinen Staat sichert. Daraus folgt, daß die Ähnlichkeit des geschichtlichen Momentes zwischen dem Rom des Augustus und unserer Lage am größten ist. Denn auch für uns handelt es sich um den bewußten Neubau des Staates, der den endgültigen Verfall des deutschen Volkes abwehren soll.
Die Vereinnahmung Vergils als Dichter für Augustus ist in den dreißiger Jahren noch kein Beweis für politische Anpassung an den Nationalsozialismus, findet sich aber in den Schriften Oppermanns mit besonderer Intensität. Daß Hitler als neuer Augustus aufscheint, versteht sich bei solcher Perspektive von selbst[66]:
So gibt es in der gesamten abendländischen Geschichte keine Zeit, die bei allen Unterschieden (..) uns so verwandt anspricht wie die, die ihre politischen Ausdruck im augusteischen Staat fand. Deshalb wird er auch im Zukunft im Mittelpunkt des Lateinunterrichtes stehen.[67]
Schwieriger war schon der Umgang mit Horaz, der aber auch schlecht aus dem Kanon gestrichen werden konnte[68]:
Mir will scheinen, daß gerade Horaz den Prüfstein dafür abgeben kann, ob ein Lateinunterricht die Zeichen der Zeit versteht und seine Pflicht erfüllt.
Oppermann hat sich vielfach bemüht, den "erzieherischen Wert des römischen Schrifttums" jenseits des überkommenen, von ihm für obsolet erklärten Gedankens der humanistischen Bildung zu formulieren:
Solche Apologetik ist seit langem die typische Haltung des gymnasialen Humanismus, hat der Sache des Altertums mehr geschadet als genützt. Es geht nicht um die Antike, es geht um Deutschland.[69].
Die zeitgemäße Rede vom "Politischen", von der "Totalität", vom neuen "Lebensgefühl" läßt keine aktuelle Redewendung aus. Die Übertragung der neuen Schlagworte auf die Arbeit an den Klassikern der römischen Literatur führte auf direktem Wege zu Peinlichkeiten und verquälten Formulierungen[70]:
Wie die Straßen der Römer, die den Lastwagen des Kaufmanns trugen und den Marschtritt der Legionen spürten, Nord und Süd, Ost und West des Reiches zur Einheit verbanden, so durchziehen die Straßen Adolf Hitlers unser Vaterland von Flensburg bis Innsbruck, von Köln bis Königsberg und Wien.
Solche Aktualisierungen sollten auch Argumente für den Fortbestand des lateinischen (und griechischen) Sprachunterricht liefern und den primitiveren Verächtern der gymnasialen Bildung innerhalb der Partei-Hierarchie den Wind aus den Segeln zu nehmen[71]:
Aber man muß unterscheiden. Äußerungen wie die von Dr. Goebbels im Völkischen Beobachter richten sich gegen einen abstrakten, wurzellosen und volksfremden Intellektualismus, nicht gegen ein Wissen, das dem Volke dient und das dem Volke unentbehrlich ist.
Schon im Jahre 1934 heißt es[72]:
Fast alle derartigen Äußerungen aus den Kreisen der Fachwissenschaft zeigen apologetischen Charakter. Die traditionell überkommene Stellung der Antike als Bildungsmacht wird hier wie eine Festung gegen Angriffe von den verschiedenen Seiten verteidigt. (...) So verständlich solch rechtfertigende Haltung gerade bei Fachvertretern ist, so glaube ich doch, das diese Position eines "Es geht um die Antike" im Ansatz verfehlt ist. Nein es geht um uns, um Deutschland.
Das mehr durch seinen Publikationsort als durch seine intellektuelle Bedeutung auffällige Pamphlet von Walter Eberhardt über "Die Antike und wir"[73] konnte in der Tat den Eindruck erwecken, daß die Latinistik noch mehr bedroht sei als die Gräzistik. Walter Eberhardt vertrat in seinem Beitrag die selbst im damaligen Schrifttum überraschend heftige Position einer Abwertung der römischen - weil "westlich-katholischen" - Überlieferung gegenüber der griechischen Tradition.[74] In einer Rezension dieses Beitrags versucht Oppermann denn auch, dieser beinahe "offiziellen" Stellungnahme die Schärfe zu nehmen, um den "Bildungswert" der lateinischen Tradition zu bewahren, denn:
Nach Rosenberg zeigt uns in Rom ein nordisch bestimmtes Volk die formale Staatszucht als Beispiel, wie eine menschlich bedrohte Gesamtheit sich gestlten und wehren muß, und nach einem Ausspruch des Führers ist römische Geschichte die beste Lehrmeisterin jeder Politik"[75].
Liest man Oppermanns Jahr um Jahr publizierte Texte auf dem Hintergrund der Tagespolitik, drängt sich der Eindruck auf, daß sich die Verschärfung der nationalsozialistischen Innenpolitik[76] und schließlich die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges in seinen Arbeiten widerspiegelten. Die Beobachtungen von Karen Schönwälder[77] zur aktuellen "Gleichzeitigkeit" bei Publikation aus dem Bereich der mittelalterlichen und neueren Geschichte lassen sich auch im Bereich des Altertums verifizieren. Es gehört dabei zu den Auffälligkeiten des altertumswissenschaftlichen Schrifttums der Zeit, daß sich ausdrückliche Bezüge zur antisemitischen Politik viel seltener finden als man vielleicht erwartet.[78]
Selbst Oppermann wagte den Schritt von vagen Hinweisen auf die "Rasse" zur
deutlicheren Rede von "völkisch, geistig und kulturell völlig
andersgearteten Stämmen Asiens" bis hin zur Benennung des eigentlichen
Feindes erst in einem Beitrag des Jahres 1939 über die gymnasiale
Bildung[79]:
... ob wir schließlich auf den großen Abwehrkampf schauen, in dem wir selber stehen, und bei dem es darum geht, von den Fluren Europas die Vernichtung durch den asiatischen Bolschewismus, die Zersetzung durch das asiatische Judentum abzuwehren - immer handelt es sich in diesem Ringen darum, Werte, die unsere Werte sind, zu verteidigen gegen die Bedrohung durch Mächte, die den Tod und den Untergang dieser Werte wollen.
Der Ausbruch des Krieges führte zum verstärkten Gebrauch des Begriffs von Europa in der nationalsozialistischen Propaganda.[80] "Europa" wurde so auch für ehrgeizige Altertumswissenschaftler zu einem aktuellen Thema. Einer sozusagen "altertumswissenschaftlichen" Rechtfertigung des gegenwärtigen Krieges um eine "Neuordnung" Europas diente Oppermanns Aufsatz aus dem Jahre 1941 über "Cäsars europäische Sendung"[81]. Der Anfang des Beitrages, mit relativ unverfänglichen Äußerungen über die Geschichte des Kaiser-Titels findet sich fast unverändert wieder in der Cäsar-Monographie des Jahres 1958[82]. Bei Pharsalos siegt Cäsar - selbst in der Fassung von 1958 - für Europa, wie Oppermann aus Cäsars Auflistung der östlichen Truppen des Pompeius schließt[83]. Mit Caesars Sieg beginnt eine neue Form der Herrschaft, "die von einem einzelnen kraft seiner Größe und Würde getragen wird"[84]. Was 1958 diskreterweise nicht mehr übernommen werden konnte, sind die "zeitgebundenen" Beobachtungen zur Überlegenheit der nordischen Stämme Europas, die Bildung der europäisch-abendländischen Kultur, und den Beginn der ewigen Auseinandersetzung zwischen Europa und Asien,[85]
die in unseren Tagen sich in neuer Form fortsetzt in dem Kriege, den Deutschland für Europa gegen die jüdisch beherrschten Plutokratien führt.
Oppermann hat sich nicht nur zur Didaktik der Alten Sprachen am Gymnasium mehrfach zu Wort gemeldet[86]; darüber hinaus hat er sich zu einer neuen Hochschuldidaktik und zum Problem einer "neuen" Grundlegung der Wissenschaft vernehmen lassen.[87]
Überlegungen zu einer Neugestaltung des gemeinsamen Arbeitens an der
Universität finden sich schon in den ersten Publikationen nach der
Machtergreifung. Ein konkretes Beispiel der "neuen akademischen
Gemeinschaftsarbeit" konnte Oppermann in der Historischen Zeitschrift
plazieren, als Ergebnis einer "Arbeitsgemeinschaft der kulturwissenschaftlichen
Fachschaft" der Universität Freiburg[88].
Das wissenschaftlich womöglich "neue" solcher Gemeinschaftsarbeit war
offensichtlich schwer zu definieren[89]:
Wir sind uns der Schwierigkeit bewußt, über solche Gemeinschaftsarbeit in Berichtform Zeugnis abzulegen. Das Beste, was uns die Arbeit gab, läßt sich nicht wiederholen: die Lust gemeinschaftlichen Findens und Einanderweiterhelfens, das Gefühl der inneren Verbundenheit und gemeinsamen Strebens, das Ringen jedes mit jedem um Präzisierung und Vertiefung, (...) kurz, die Gemeinsamkeit der Kameradschaft (...)
Es sind die zu erwartenden Themen, die diese "kameradschaftliche", durch Hitler-Zitate legitimierte Arbeit bewegt haben: Wie kann die Dichtung das "geschichtliche Sein" in "großen" Zeiten erfassen ? Der Maßstab für "großes" geschichtliches Geschehen ist vorgegeben durch die "große" Gegenwart. Oppermanns eigener Beitrag ist die bemüht "völkische" Deutung von Vergils Georgica und der Aeneis; nur ein vereinzeltes Klingner-Zitat zeigt die Verbundenheit des Verfassers mit der Fachwissenschaft. "Höhere Mächte" lenken die Geschicke eines Volkes, zur Zeit des Augustus, und in der Gegenwart[90]:
Denn was sich im November 1918 im Lazarett zu Pasewalk abspielte und in "Mein Kampf" mit den schlichten Worten ausgesagt wird: "Ich aber entschloß mich, Politiker zu werden", - es ist nichts anderes als das Aufbrechen solchen Auftrages in der Brust des großen Menschen. Woher nähme auch ein Mensch die Kraft, solche Aufgaben zu erkennen, zu tragen und durchzuführen, wenn nicht von oben ?
Dieser ja immerhin von den Herausgebern der "Historischen Zeitschrift" akzeptierte Beitrag[91] ist nicht die letzte Veröffentlichung Oppermanns zum Thema einer "neuen" Form der wissenschaftlichen Arbeit. In der Zeitschrift "Deutschlands Erneuerung" publizierte Oppermann im Jahre 1942 den Beitrag über "Wissenschaftliche Gemeinschaftsarbeit", der in peinlicher Weise platonische Akademie und nationalsozialistisches Wissenschaftslager zusammenzwingt[92].
Das Dozentenlager, für die allermeisten Dozenten eine kaum
erträgliche Zelt-Veranstaltung[93], wird in Oppermanns Beitrag zur
"Akademie": Hier handelt es sich nicht um "Summierung einheitlich
ausgerichteter Einzelforschungen, sondern um wissenschaftliche Arbeit einer
echten Gemeinschaft"[94]. In der Antike findet er entfernt
Vergleichbares bestenfalls bei den Römern, im Scipionenkreis und im
entsprechend idealisierten Kreis der "Gemeinschaft" um Augustus. Doch der
wahrhaftige Nachfolger der platonischen Akademie findet sich erst in der
Gegenwart[95]:
Als besonders lebendiger und zukunftsweisender Versuch müssen hier ferner die Wissenschaftslager genannt werden, die der NS-Dozentenbund seit etwa zwei Jahren auf den verschiedensten Fachgebieten veranstaltet. In ihnen sind alle Voraussetzungen gegeben, die solche Gemeinschaftsarbeit erfordert. (...) Das gemeinsame Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung schafft von vorneherein das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Kameradschaft, ohne die solche Arbeit unmöglich ist. (...) Es ist das beglückende Bewußtsein, wie es etwa der Soldat an der Front kennt, der sich in der Schlacht in die Reihe derer eingegliedert weiß, die sich vorkämpfen.
Der "Gnomon" scheint dem Rezensenten Oppermann nach 1933 verschlossen geblieben zu sein; dafür wurde es seit 1934 seine Aufgabe, in der Zeitschrift "Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung", später zeitgemäß umbenannt in "Neue Jahrbücher für Antike und deutsche Bildung", über Neuerscheinungen zu berichten. Diese jährlichen Literaturberichte werden in der Regel eingeleitet mit "engagierten", den wechselnden Zeitläuften angepaßten "Grundsatzerklärungen". Die "systematischen" Einleitungen stehen bisweilen quer zu den durchaus vernünftigen und um Offenheit des Urteils bemühten Rezensionen der einzelnen ausgewählten Werke. Wenigstens in diesen Literaturberichten verschweigt Oppermann nicht das Mißverhältnis zwischen programmatischen Ansprüchen und wissenschaftlichem Ertrag. Die Neuorientierung machte Schwierigkeiten[96]:
"anders als etwa die französische Revolution wurde die nationalsozialistische nicht auf geistigem Gebiete vorbereitet (...). Daß dieses Bemühen nicht durch eine schnelle Anpassung an die Forderungen des Tages erfüllt wird, daß es nur Erfolg verspricht, wenn es getragen ist von dem Streben nach Wahrheit, dem Kennzeichen echter Wissenschaft, braucht heute wohl nicht mehr ausdrücklich versichert zu werden. (...) Eine neue Wissenschaft wird erst entstehen können auf Grund einer zähen, langen Forschungsarbeit. Ihre Träger müssen zunächst einmal heranreifen. (...) "Angesichts dieser Lage wird der Berichterstatter nur in seltenen Fällen die Möglichkeit haben, von Verwirklichungen der erstrebten Wissenschaft Zeugnis abzulegen".
Welche Publikationen hat er in solchem Sinne verstanden ? Die ganz plakativen, auch eher seltenen Versuche aus der Feder von übereifrigen Schulmännern werden abgelehnt. "Neu" und "förderlich" sind dagegen Arbeiten, die vom "Einbruch" des Orients in die griechische Welt handeln - "Fragen, die auch uns angehen, und die nur in strenger wissenschaftlicher Arbeit beantwortet werden können"[97]. Die Freiburger Kollegen werden stets erwähnt: "Einen ausdrücklich politisch erzieherischen Zweck verfolgt W. Alys Titus Livius"[98]. Ist die Erwähnung Alys eher zurückhaltend, so wird H. Bogner zum bedeutenden Interpreten des Griechentums, der die Forschung der letzten Jahrzehnte auf ungeahnte Höhen führt: "erst der neue Anruf, der aus dem Politischen kommt (...) bringt die Entwicklung zum Abschluß." Bogner dringt "für jeden Deutschen, in dem das Erleben unserer Tage lebendig ist, fesselnden Weise liebevoll in das Innenleben der griechischen Frühzeit ein"[99].
Sieht man von solchem - übrigens keineswegs aufrichtigem[100] - Kollegenlob
einmal ab, so sind offensichtliche Fehlurteile nicht zu finden. Bedeutende
Konkurrenten Oppermanns bleiben verschont; der Schweizer Ernst Howald etwa
ließ sich leichter treffen. Dieser "Vertreter eines liberalen
Humanismus" begegnet den "Anschauungen der Rassenforschung mit tiefem
Mißtrauen" - "Daß bei solcher Betrachtung Griechen und Römer
auf die Fragen unserer Zeit antworten, wird kein Einsichtiger erwarten"[101]. Der Krieg bringt
die zu erwartende Verschärfung des Tones: Neuerscheinungen der
Altertumswissenschaft müssen jetzt auch im "europäischen Raum"
Bestand haben, auch sie müssen diesen Raum "geistig durchdringen und das
neue Bild des Menschen, der das neue Europa tragen, prägen und leben"[102].
Oppermann wurde sich wohl zusehends der Schwierigkeiten bewußt, über
die immer wiederholte "Deutung" der augusteischen Zeit als Parallele zur
Gegenwart hinaus eine nationalsozialistische "Gesamtdarstellung" z. B. der
römischen Literatur zu schreiben[103]:
Aus unserem Erleben heraus eine solche Gesamtdarstellung zu schaffen, dazu fehlen weithin noch die Vorarbeiten, es sei denn, daß jemand den Mut fände, den Speer in Unbekannte vorauszuschleudern und auf die Gefahr notwendiger späterer Korrekturen hin ein großes konstruktives Bild einer solchen Entwicklung zu entwerfen.
Der geforderte neue Stil der altertumswissenschaftlichen Forschung[104] ließ auf sich warten: Das "verhängnisvolle Erbe des Neuhumanismus" wollte einfach nicht weichen. Die Besprechung des von Grassi und Reinhardt herausgebenen Jahrbuchs "Geistige Überlieferung", moderat im Ton, ist dennoch eindeutig[105]; die Überbewertung des Griechentum zulasten der römischen Tradition wird von Oppermann wiederum kritisiert: Das Römertum ist deshalb besonders wichtig, weil "unser künftiges Verhältnis zur Antike (...) wesentlich vom Staatlichen her mitbestimmt" werde. Maßstab ist auch hier die spezifische Auffassung von (nationalsozialistischer) Politik, "die wir uns bewundernd und beglückt aus eigenem Erleben bilden durften"[106].
Die Besprechung des Sammelwerks "Das neue Bild der Antike" zitiert zwar
wohlwollend die einschlägigen programmatischen Sätze Helmut Berves im
Vorwort, doch steht Oppermann auf der Seite derer, die ein "neues Bild"
vermissen[107]. Die
Werte, gegen die Oppermann ankämpft, werden in einer Würdigung von
Drexlers Kampfschrift gegen den "Dritten Humanismus" genannt[108]: die
"Menschheitsideale und der Entwicklungsgedanke der Aufklärung und die
Demokratie" - Elemente der "vornationalsozialistischen Geistigkeit"[109].
Was etwa im Jahre 1942 als Beispiel "neuer" geschichtlicher Sinndeutung
genannt werden kann, ist nicht gerade von erdrückendem Gewicht: Ein
gelehrter Akademie-Beitrag L. Deubners über den indogermanischen Ursprung
des männlichen Klagerufs der "Alalage" (im Unterschied zur
mittelmeerisch-weiblichen "ololgye")[110] und Altheims Forschungen zur
Europäisierung orientalischer religiöser Vorstellungen am Beispiel
des Heliodor.[111]
Parallel zum letzten Literaturbericht in den "Neuen Jahrbüchern"
entstand der deutlicher formulierte und ausführlichere Beitrag "Zur Lage
der griechisch-römischen Altertumswissenschaft"[112]. In dem von Berve herausgebenen
Sammelwerk findet er nun doch "das Ideengut der Bewegung": "in diesem Sinne
kann das vorliegende Werk als Zeugnis dafür gewertet werden, daß die
Altertumswissenschaft in ihrer Gesamtheit den Einfluß des
Nationalsozialismus erfahren hat."[113]575). Stärker als in der
Besprechung für die Lehrerzeitschrift wird die "rassekundliche Erforschung
von Hellas und Rom" thematisiert, als deren Archegeten hier Schachermeyr,
Miltner, Wilhelm Weber und Altheim genannt werden. "Deutschland steht vor der
Aufgabe der Neuordnung Europas": "so wächst unser Volk gegenwärtig in
Aufgaben hinein, die letztlich von Griechen und Römern herkommen".[114] Das Ergebnis
solcher "neuen" Erforschung des römischen Altertums ist bereits absehbar:
"daß die altrömische Welt Schöpfung eines mit den Germanen
nächstverwandten Rassekerns ist, der neben dem Nordischen deutlich
fälischen Einschlag zeigt".[115]
Was Oppermanns Publikationen der Kriegsjahre von den Veröffentlichungen anderer Gelehrter im Bereich der Altertumswissenschaft, die durchaus dem Zeitgeist huldigten, immer noch unterscheidet, ist die Bereitschaft, als "Fachwissenschaftler" das Vokabular der offiziellen Judenhetze unverkürzt zu übernehmen.
Es verstand sich nicht von selbst, einen veritablen Lehrstuhlinhaber eines
altertumswissenschaftlichen Faches zu einer offen antisemitischen Publikation
zu bewegen; als die Bayreuther Lehrerzeitschrift "Der deutsche Erzieher"
im Rahmen der Propagandadirektiven Beiträge zur sog. "Judenfrage"
veröffentlichen sollte, fand sich offenbar kein anderer Autor als der
unsägliche Johann von Leers für den "antiken" Beitrag.[116]
Oppermann, Mitglied der "Reichslehrgemeinschaft Rosenberg"[117], wurde von
Parteistellen als einer der wenigen nationalsozialistischen
Altertumswissenschaftler bezeichnet, und so war es kein Zufall, daß man
sich bei der Suche nach einem Autor für ein Pamphlet über das antike
Judentum an ihn gewandt hat[118]. Im Jahre 1943 erschien, "Nur
für den Dienstgebrauch !", das Heft 22 der "Schriftenreihe zur
weltanschaulichen Schulungsarbeit der NSDAP" mit dem von einer Rune
hinterlegten Titel "Der Jude im griechisch-römischen Altertum"[119].
Die Aktualität der "Rassenfrage" hatte er sich schon früh zu
eigen gemacht. Das Interesse an "Fragen der rassischen Grundlagen der
griechischen und römischen Kultur" ist "geboren aus dem unmittelbaren
Erleben der Gegenwart".[120] Oppermann ging aber mit seiner
Bereitschaft, an Rosenbergs "Schriftenreihe" mitzuarbeiten, einen Schritt
weiter als alle anderen von ihm gerühmten Forscher, die sich ebenfalls der
"ungeheuren Werbekraft des nationalsozialistischen Ideengutes" nicht entzogen
hatten. Sollte er überhaupt gezögert habe, so könnte man eine
Erklärung für seine Bereitschaft in seinen eigenen Bemerkungen
über die Einbindung der echten Wissenschaft in die "volkliche" und
staatliche Sphäre finden. Oppermann schreibt im Jahre 1942 von "neuen und
echte Sinn für Größe"[121]:
Mit Zielsetzungen der Altertumswissenschaft, wie sie hier umrissen wurden, hat die Ideologie des Humanismus, aus der die Beschäftigung mit Griechen und Römern mehr als ein Jahrhundert Sinn und Berechtigung herleitete, ein Ende gefunden."
"Inhaltlich" bietet Oppermann in diesem "Schulungsheft" an keiner Stelle etwas, das über die entsprechenden Beiträge der "Forschungen zur Judenfrage" hinausgeht: In diesen Bänden ist der einzige Altertumswissenschaftler ausgerechnet Oppermanns Freiburger und Straßburger Kollege Hans Bogner[122].
Buchstäblich jedes antisemitische Klischee wird erwartungsgemäß
bedient:[123] die
"geschickte" Anpassung an die Umwelt zum Zwecke des Lebens in fremder
Umgebung, das Fehlen eines "bodengebundenen Heimatgefühls", die
vermeintliche Mission der Juden, das "wirtschaftliche Denken". Das
Diasporajudentum entwickelt eine ganze Reihe von Eigenschaften, die der
"Anpassung an die Wirtsvölker dienen". Die "typisch jüdische
Existenzform des Juden" in der griechischen und römischen Umwelt ist die
des "Parasiten"[124]:
Der Haß des Juden gegen den Römer ist der angeborene Haß des Parasiten gegen die staatliche Ordnungsmacht, der Haß einer asozialen Rasse gegen die mächtige Ordnung, die der römische Staat verkörpert, erwachsen aus dem sicheren Gefühl, daß der Jude nur da, wo der Staat schwach ist, sein Leben voll entfalten kann.
Überblickt man Oppermanns wissenschaftliche Produktion von 1933 bis 1945, so unterscheidet sie sich immer noch von allen "engagierten" Beiträgen anderer Autoren durch die spürbare Anpassung an die offizielle Propaganda. Manch anderer versuchte, die Wissenschaft vom Altertum dem nationalsozialistischen "Geist" verfügbar zu machen; Oppermann ist aber der einzige, der auch als "Wissenschaftler" die Sprache der Täter benutzt hat.
Wie ging es weiter ? Der stellvertretende Direktor des Hamburger Johanneum findet bei einer Abschiedsfeier für den scheidenden Oberstudiendirektor Oppermann im März 1961 diese Worte[125]:
Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches am Ende des Zweiten Weltkrieges traf ihn besonders hart. Nicht nur daß er sein persönliches Eigentum - vor allem die geliebte Bibliothek - einbüßte, die Rückgabe Elsaß-Lothringens bedeutete für ihn den Verlust des Lehrstuhls in einer Zeit, in der auch eine Reihe ostdeutscher Universitäten für uns verlorenging.
1945 aus der Zivilinternierung in Frankreich entlassen, lebte Prof. Oppermann zunächst als Privatgelehrter in Wolfenbüttel, wo er an der historisch-kritischen Raabe-Ausgabe mitarbeitete, und kam 1949 nach Hamburg. Hier wurde er nach 5jähriger Tätigkeit am Christianeum zum Leiter der Gelehrtenschule des Johanneums ernannt. Seit 1958 ist Prof. Oppermann emeritierter Universitätsprofessor.
Diese Karriere im Schuldienst, an einem der bedeutendsten humanistischen Gymnasien Deutschlands, läßt sich mit der Nachkriegskarriere anderer Nationalsozialisten vergleichen; als solche ist sie nicht weiter auffällig. Oppermann muß genau gewußt haben, daß ihm eine weitere Universitätskarriere verschlossen sein würde.[126]
Die offenbar erste Veröffentlichung nach 1945 ist ein Nachwort zu Wilhelm
Raabes "Kanzlei"[127]. Das Werk des Braunschweiger Dichters
bildet erst seit dem Ende des Krieges einen unübersehbaren neuen
Interessenschwerpunkt, der überraschender Weise an keiner einzigen Stelle
seiner bisherigen Veröffentlichungen erkennbar gewesen wäre: Er war
vor 1945 nicht einmal Mitglied der Wilhelm-Raabe-Gesellschaft[128].
Oppermann hat neben dem Schuldienst weiterhin wissenschaftlich publiziert und
insbesondere durch seine Arbeit als Herausgeber von Bänden aus der Reihe
"Wege der Forschung" bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft eine
beachtliche Präsenz gehabt[129]. Die Mitarbeit bei der im Jahre 1949
gegründeten Wissenschaftlichen Buchgesellschaft dürfte ihm in mehr
als einem Sinne sympathisch gewesen sein: Ein Straßburger Kollege, dem,
wie Oppermann selbst, eine Rückkehr an eine deutsche Universität
verwehrt war, hat die Wissenschaftliche Buchgesellschaft gegründet - der
Neuhistoriker Ernst Anrich.[130]
Die altertumwissenschaftlichen Nachkriegspublikationen beginnen im Jahre 1949
mit einer Interpretation des Horaz,[131] einer Empfehlung Caesars für die
Schule,[132] und
einer Würdigung Mommsens, der in den Publikationen vor 1945 doch kaum
einer Erwähnung wert gewesen war[133]. Das "Alte" bleibt in
irritierender Weise erhalten. Auf den bezeichnenden Entschluß, seinen
Vergil-Beitrag des Jahres 1938 aus der Reihe "Auf dem Wege zum
nationalpolitischen Gymnasium" unverändert in den Vergil-Sammelband des
Jahres 1963 aufzunehmen, hat schon Richard Faber hingewiesen[134].
Dies ist aber kein Einzelbeispiel. Die Caesar-Monographie des Jahres 1958 ist
in weiten Teilen eine Wiederholung von Beiträgen aus der Zeit vor 1945 -
nur an den ganz "eindeutigen" Stellen wird deutlich, daß der
Verfasser allzu "radikale" Stellen dem Stil der fünfziger Jahre
angepaßt hat: Er wußte sehr genau, wo er zu kürzen hatte.[135]
Der Wissenschaftler und der Schulmann gleichermaßen war bei der Herausgabe
des "Wege der Forschung"-Bandes über den Humanismus gefragt. Daß
ausgerechnet Oppermann, der den traditionellen Humanismus, einschließlich
seiner Ausprägung bei Werner Jaeger, in den dreißiger Jahren für
obsolet erklärt hatte,[136] diesen Band herausgeben durfte, ist
geradezu skurril, erklärt sich aber durch die Beziehung zu Ernst Anrich.
Wenn irgendwo, dann wäre in der Einleitung zu diesem Band eine
selbstkritische, sozusagen "wissenschaftsgeschichtliche" Bemerkung über
die (wenn man sie so nennen will:) nationalsozialistische Humanismus-Debatte
der Jahre 1933 - 1945 zu erwarten gewesen. Die Würdigung von Heinrich
Weinstock[137] im
Vorwort und die Aufnahme eines Abschnitts aus dem Humanismus-Buch Horst
Rüdigers[138]
machen natürlich deutlich, wie sehr gut sich Oppermann der Debatten seit
1933 erinnern konnte. Die zwei eigenen Beiträge aus den Jahren 1956 und
1957, die in den Sammelband aufgenommen worden sind, zeigen die
Wandlungsfähigkeit des Verfassers im Laufe der Jahre, aber zugleich die
Konstanz seines Denkens.
Der Vortrag des Jahres 1957 vor der Klassisch-Philologischen Gesellschaft in
Hamburg mit dem Titel "Der Europäische Humanismus und Deutschland"
ist in weiten Teilen eine Neubearbeitung früherer - Straßburger -
Ansichten über die besondere Griechennähe der Deutschen, und die
Rom-Nähe der übrigen europäischen Völker aufgrund der
Geschichte des Imperium Romanum.[139]
Der Bildungswert des Lateinischen wurde den Zeitläuften angepaßt. Vor
1945 war das Lateinische nützlich für die Gewinnung eines deutschen
Selbstverständnisses bei der nationalsozialistischen Neuordnung
"Europas"[140].
Oppermann hatte mithelfen wollen, "daß die Wikingerschiffe des deutschen
Geistes in den Buchten des Mittelmeers Anker werfen und doch bewahrt bleiben
vor dem Gotenende am Vesuv"[141]; in den fünfziger Jahren gab es
ein neues Programm: Jetzt gewann das Latein an Wert durch den "allgemein
europäischen Charakter" der "Bildungsgüter, die der römischen
Kultur und dem lateinischen Erbe innewohnen".[142]
Sein späteres Selbstverständnis ist durch die Nachkriegslaufbahn als
Leiter eines bedeutenden humanistischen Gymnasiums bestimmt worden: Hans
Oppermann sah sich am Ende seiner aktiven Laufbahn als Erzieher der Jugend zu
den Bildungs- und Menschheitsidealen, die in die Zeit vor 1933 und nach 1945
gehörten.[143]
Die gewiß unstrittigen Verdienste Oppermanns als Leiter des Johanneums
gehen aus den Würdigungen zum Ende seiner Dienstzeit hervor und
können hier nicht thematisiert werden[144]. Wenn er, bis 1945 im Kreis der
"Reichslehrgemeinschaft Rosenberg" der selbsternannte Ideologe einer
nationalsozialistischen Altertumswissenschaft, in der Nachkriegszeit dann ein
ausgezeichneter Gymnasialdirektor geworden ist, so berührt dies die
Fragestellung dieses Beitrags nur mittelbar; aber beunruhigend ist es schon.