Katholische Universität Eichstätt
Lehrstuhl für Alte Geschichte
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Poseidonios aus dem syrischen Apameia ist nicht nur einer der führenden Köpfe der hellenistisch-römischen Welt des 1. Jhdts. v. Chr., sondern auch einer der eindrucksvollsten Universalgelehrten des gesamten klassischen Altertums.
Die Herkunft aus dem Seleukidenreich ist ein wichtiger Faktor für seine
späteren weitgespannten Interessen; hier lebten nicht nur Griechen,
sondern auch fremde Völker: Phönizier, Syrer, Juden, und an den
Grenzen standen die Parther. Geboren etwa im Jahre 135 v. Chr., war er nicht
"syrischer", sondern griechischer Herkunft; von seiner Familie
läßt sich nur sagen, daß sie zur politischen
Führungsschicht gehörte und in den Thronstreitigkeiten des
untergehenden Seleukidenreiches wohl Partei für eine Linie der Dynastie
nahm. Der Vater war, selbstverständlich, wohlhabend genug, dem Sohn ein
Studium in Athen zu finanzieren. Die Bibliotheken waren vortrefflich, und die
Philosophenschulen hatten dort immer noch ihr Zentrum. Spätestens in Athen
fiel Poseidonios' Entscheidung gegen die Epikureer, für die Stoa; er wurde
der Meisterschüler des ca. 110 v. Chr. gestorbenen Panaitios von Rhodos.
Poseidonios ist nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt, sondern wandte sich
nach Rhodos, der Heimat seines Lehrers; neben Alexandreia in Ägypten war
Rhodos in dieser Zeit ein Zentrum aller Wissenschaften, gerade auch der exakten
Disziplinen, die ihm ebenso wichtig wurden wie die Philosophie. Auf Rhodos hat
er nicht nur sein Wissen vervollkommnet, sondern machte auch, durchaus
ungewöhnlich für einen Fremden, schnell politische Karriere. Er
erhielt das sparsam verliehene Bürgerrecht - Rhodos war damals so etwas
wie die Schweiz des griechischen Ostens - und wurde nach wenigen Jahren in das
höchste zu vergebende Staatsamt gewählt. Als Stoiker bejahte er die
politische Betätigung des Weisen und sah in der praktischen
Bewältigung der Welt und ihrer Verbesserung einen Lebenssinn.
In den neunziger und achtziger Jahren, als er rhodischer Bürger wurde,
für ein Jahr Oberbeamter (Prytan) von Rhodos war und diplomatische
Aufgaben erfüllte, gab es viel zu tun für die neue Heimat. Rhodos war
damals einer der wenigen unerschütterlichen Verbündeten Roms im Osten
und wurde konfrontiert mit den Problemen der Piraterie und den Angriffen des
Mithridates von Pontos.
Poseidonios gehörte zu den griechischen Intellektuellen seiner Zeit, die
ohne Wenn und Aber für Rom als Ordnungsmacht einer aus den Fugen
geratenden Welt optierten. Er hat seine Verbindungen zur römischen
Führungsschicht nicht nur politisch für wichtig und sinnvoll
gehalten, sondern auch für seine wissenschaftliche Arbeit genutzt. Der
Zutritt zu höchsten Regierungskreisen ermöglichte es ihm, in den
neunziger Jahren eine Forschungsreise in den von Rom beherrschten Westen bis
hin nach Gibraltar zu unternehmen: für einen griechischen Reisenden
wäre es damals unmöglich gewesen, ohne römische Förderung
in die weniger erschlossenen Gebiete Galliens und Spaniens vorzudringen.
Seine akademische Bedeutung wuchs seit den achtziger Jahren stetig; ein Besuch
bei ihm wurde zum Pflichtprogramm für ehrgeizigere Römer, die nicht
als Banausen gelten wollten. Cicero bemühte sich um seine Gunst, und auch
Pompeius, im Jahre 66 Sieger über die Piraten, erwies dem berühmten
Manne seine Reverenz, indem er seinen Lictoren befahl, ihre Beile und
Rutenbündel, die römischen Werkzeuge über Leben und Tod, vor dem
Manne des Geistes zu senken. Pompeius dachte dabei an Alexander und
Aristoteles.
Poseidonios hat wohl alle führenden Römer seiner Zeit persönlich
gekannt hat, die sich in jenen Jahren auf Rhodos, einer notwendigen
Durchgangsstation für den Osten, aufgehalten haben - mit der einen
Ausnahme vielleicht Caesars, dem Poseidonios' enge Verbindung zu Politikern
konservativer Richtung nicht geheuer war. Wie hoch er bei den Römern
angesehen war, läßt sich daraus entnehmen, daß Cicero kein
besserer Autor einfiel, den er darum bitten könnte, sein Konsulat des
Jahres 63, die rechtmäßige Hinrichtung der Catilinarier
eingeschlossen, stilistisch anspruchsvoll und politisch korrekt darzustellen;
Poseidonios, ganz Diplomat, hat dankend abgelehnt.
Kurz kurz vor Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius ist
Poseidonios gestorben, möglicherweise in Zusammenhang einer letzten
politischen Mission nach Rom im Jahre 51 v. Chr.
Die Breite und Fülle von Poseidonios' wissenschaftlicher Produktion
erklärt sich nicht allein durch die Vielfalt seiner Interessen. Seine
Werke müssen verstanden werden als Teil eines spätestens in den
neunziger Jahren des I. Jhdts. v. Chr. gefaßten Lebensplans zur
einheitlichen Erklärung der Welt aus dem Geist der Stoa. Alle seine Werke
sind diesem Anspruch einer universalen Welterklärung untergeordnet, nicht
nur die im engeren Sinne fachphilosophischen Schriften (z. B. über Logik,
Ethik, Weissagung und theologische Fragen), sondern auch die
naturwissenschaftlichen Untersuchungen (z. B. das Werk "Über den
Ozean") und das berühmte Geschichtswerk, die Historien.
Bei aller Liebe zu den Wissenschaften vertrat Poseidonios stets die Meinung von
der Unterordnung der einzelnen Fachwissenschaften unter die Philosophie, die
allein in der Lage sei, den Kosmos zu erklären. Seine Definition der
Philosophie bestätigt die Auffassung vom Zusammenhang aller seiner Werke.
Die stoischen Vorgänger hatten sich die drei Elemente der Philosophie
vorgestellt mit der Logik als Mauer um einen Garten, mit Bäumen (der
Naturphilosophie) und Früchten (der Ethik). Poseidonios verglich die
Philosophie lieber mit einem Lebewesen: die Naturphilosophie wurde zu Fleisch
und Blut, die Logik stand für die Knochen und Sehnen, die das Lebewesen
zusammenhielten, und die Ethik, als wichtigstes Element, war die Seele der
Philosophie.
Poseidonios' Ruhm außerhalb fachphilosophischer Kreise begann
spätestens in den achtziger Jahren mit der Veröffentlichung des
Werkes "Über den Ozean und die angrenzenden Gebiete", der Frucht
seiner Forschungsreisen in den Westen. Dieses Werk war nicht nur -
ungewöhnlich genug für einen Stoiker - eine Gesamtdarstellung
geographischer Fragen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft, sondern ein
Werk, in dem er dem Publikum seine Gedanken über den inneren Zusammenhang
der Welt erklären wollte, das Ineinanderwirken aller Kräfte, die es
zu verstehen galt auch für die Gestaltung der Welt durch den Menschen, im
politischen wie im privaten Bereich. Ein berühmtes Beispiel ist
Poseidonios' Erforschung des von den Kräften des Mondes ausgelösten
Phänomens von Ebbe und Flut, das innerhalb der von den Römern
erschlossenen Welt am besten in Gades zu untersuchen war:
selbstverständlich unterzog sich der rastlose Forscher der Mühe einer
solchen Reise.
Im Zentrum des Werkes stand die Erklärung der "kosmischen"
Bedingtheit aller Erscheinungen auf der Erde. Ein Schlüsselbegriff
für das Ozeanbuch - und für das Gesamtwerk - ist die "Sympathie", der
organische Zusammenhang aller Teile der Welt, vom Himmel bis zur Erde.
Poseidonios' im Ozeanbuch ausführlich vorgetragene Theorie von der
Bedingtheit eines Volkscharakters durch das Klima, einschließlich seiner
Darstellung der "Geographie der Rassen", hatte nicht allein
naturwissenschaftliche, sondern auch politische Implikationen - die
römischen Leser konnten lernen, daß die klimatische Mittellage
Italiens eine wesentliche Voraussetzung der römischen Berufung zur
Weltherrschaft war.
Die philosophisch begründete Parteinahme für Rom wird erst durch
diese Klimatheorie und Poseidonios' Gedanken über Völkerverwandschaft
und Völkergemeinschaft ganz verständlich. Die gegenwärtig
differenzierte Welt der Völker hatte sich aus einer ursprünglichen
Einheit heraus entwickelt. So erklärt es sich, daß er keinen
grundsätzlichen Unterschied zwischen den zivilisierten Römern als
Herren der Welt und den weniger zivilisierten Barbaren machte. Bei aller
Verbundenheit mit führenden römischen Politikern legte er also hohe
Maßstäbe an bei der Beurteilung der römischen Herrschaft.
Poseidonios ist der einzige bedeutende Philosoph der Antike, der ein Werk
über die Geschichte seiner Zeit geschrieben hat; auch ein
historiographisches Werk galt ihm als sinnvoller Teile seines philosophischen
Systems. Aristoteles und seine Schüler hatten Interesse an der Sammlung
und Deutung historischen Materials gehabt, aber gerade die Stoa, wegen ihres
verstärkten Interesses an der Ethik, hatte bisher nichts zur
Förderung der historischen Forschung beigetragen. Die 52 Bücher der
"Historien" schlossen an das Werk des Polybius an, begannen also im Jahre
146 v. Chr., und endeten vermutlich in der Mitte der achtziger Jahre.
Er ging in diesem Werk über die gewohnte Bestimmung der
Universalgeschichte im Stile des Vorgängers Polybios weit hinaus, einer
zusammenhängenden Darstellung der einzelnen, politisch aufeinander
bezogenen oder voneinander abhängigen Länder; ihm ging es, auch in
der Geschichte, um die organische Zusammengehörigkeit der Welt im ganzen.
Für Poseidonios reichte die "Geschichte" über die Erde hinaus in
den Himmel. Die Menschheit durfte, wie er erkannt zu haben glaubte, nicht mehr
isoliert in ihrer "bloß" politischen Geschichte betrachtet und verstanden
werden, sondern war ein Teil des Kosmos, der viel mehr umfaßte als die
Geschichte der Völker und Individuen. Trotz der fragmentarischen
Überlieferung lassen sich Beispiele dafür geben, wie sich
Poseidonios' eigenartige Erweiterung der "Geschichte" auf die Themenbreite der
Historien ausgewirkt hat. Viele Exkurse, die schwer in eines der bis dahin
üblichen Geschichtswerke einzuordnen wären (z. B. Abschnitte
über das Klima Arabiens und die lebensspendende Kraft der Sonne, über
die Gezeiten, über die Klimatheorie mit ihrer aus dem Ozeanbuch
übernommenen Geographie der Volkscharaktere), kennzeichnen ein Werk, das
sich nicht mehr isoliert mit der politischen Geschichte befaßte, sondern
alle Kräfte und Faktoren berücksichtigte, die die Menschen handeln
ließen und ein Teil ihrer Lebenswelt waren.
Die völkerkundlichen Exkurse der Historien, die Fragen des Ozeanbuches
aufnahmen, gehörten zu den Höhepunkten des Werkes. Die in
umfangreicheren Fragmenten erhaltene Schilderung der Kelten zum Beispiel, deren
Sitten und Gebräuche er während eines Forschungsaufenthaltes in
Marseille erforscht hatte, ist ein Glanzstück griechischer Ethnographie.
Bei der Charakteristik der Kelten berücksichtigte Poseidonios nicht nur
die seit Herodot vertrauten Rubriken bei der Darstellung fremder Völker,
sondern versuchte auch seine Anschauung von der individuellen Prägung der
Völker durch ihre Umwelt (geographische Faktoren, Bodenschätze,
Klima, Ernährung) zu verdeutlichen. Völker am Rande der
römischen Welt wie die Kelten waren anders, sie waren sogar (auch nach
seiner eigenen Einschätzung) - als Kopfjäger - "barbarisch",
aber sie waren doch Menschen, die sich nicht grundsätzlich von den
Römern, den Herren der Welt, unterschieden. Er schrieb, zur Belehrung
seines in Vorurteilen befangenen Publikums, über das Verhältnis
solcher Menschen zu den wesentlichen Dinge des Lebens, die Liebe zur Heimat
etwa oder die Empfänglichkeit für Musik und Kunst.
Die Historien gehörten für Poseidonios auch zur Moralphilosophie. Am
Stoff der jüngeren Vergangenheit wollte er seine Gedanken über die
Entstehung der Affekte überprüfen und zugleich dem Leser Hinweise zur
Gestaltung des eigenen Lebens geben. Das Werk muß einen eminent
didaktischen Charakter im Sinne von Poseidonios' psychologischen Forschungen
gehabt haben. In dem mehrere Bücher umfassenden Werk "Über die
Affekte" hatte er - im Unterschied zur herkömmlichen stoischen Lehre und
in Anlehnung an Platon - die Auffassung vertreten, daß nicht alle Element
der Seele "rational" seien, sondern daß es ein Seelen-Element gebe, das an
der Vernunft keinen Anteil habe, sondern stets im Zaume zu halten sei. Diese
für einen Stoiker durchaus ungewöhnliche Anerkennung eines potentiell
unheilvollen Seelenteils schärfte Poseidonios' Blick für
Erziehungsfragen - Erziehung war nicht nur für Kinder wichtig, sondern
auch für Erwachsene, die den Versuchungen der Welt ausgesetzt waren. Die
meisten Menschen konnten von ihren Affekten zu schlimmen Handlungen getrieben
werden, die wenigsten waren in der Lage, ihre Emotionen zum Wohle der
Allgemeinheit zu zügeln. Poseidonios benutzte deshalb in seinen Schriften
plastische Verdeutlichungen von Tugenden und Lastern als Hilfsmittel der
philosophischen Erziehung: hier erfüllte sein Geschichtswerk eine
pädagogische Funktion. Lob und Tadel, in den Historien reichlich verteilt,
zeigten dem Leser, wie man im privaten und auch im öffentlichen Leben ein
besserer Mensch sein konnte. Seine historischen Beispiele werden vielleicht
nicht jeden Leser überzeugt haben: so wurden die Gracchen ein Beispiel
für den politischen Wahnsinn, und der keineswegs von allen bewunderte
Pompeius war ein leuchtendes Vorbild.
Bewußt erzieherisch war auch die Behandlung der Frage des richtigen
Verhältnisses zwischen Herrschern und Beherrschten. Manche Beispiele
gingen eher künftige Magistrate an, die nachlesen konnten, wie sich ein
guter Provinzverwalter verhielt; auch niedriger gestellte Leser mochten sich
dagegen wiederfinden in den Kapiteln über gute oder schlechte
Sklavenhalter, deren Betragen eine Kausalkette knüpfte bis zum Ausbruch
erbitterter Sklavenkriege.
Schon den antiken Leser fiel Poseidonios "aristotelische" Intensität
bei der Erforschung der Ursachen aller Dinge auf; dieses sog.
"Aristotelisieren" war in den fachphilosophischen Schriften ein zentraler
Aspekt, aber auch in den naturwissenschaftlichen und historischen Schriften.
Die Kausalität in Natur und Geschichte sah er als Ausdruck göttlichen
Willens - die historische Kausalität war dann, richtig erkannt, schon ein
Werk der Vorsehung. Die historische Ursachenforschung wurde zur Theodizee; die
Geschichte war das Strafgericht über diejenigen, die Schuld auf sich
geladen hatten: die grausamen Sklavenherren sind schuld am Ausbruch der
Sklavenkriege und sterben auf schreckliche Weise, die dem Wahn verfallenen
Gracchen ereilt ein verdienter Tod. Als Historiker verstand sich Poseidonios
als Diener der Vorsehung bei der Austeilung von Lob und Tadel.
Aufgabe des stoischen Historikers war es deshalb, die kausalen
Verknüpfungen, die zu Katastrophen wie den Sklavenkriegen geführt
hatten, aufzudecken und den Römern einsichtig zu machen. So wollte er die
Römer seiner Zeit gegen alle Verfallstendenzen befähigen, ihrer von
der Natur und der Vorsehung gewünschten Führungsrolle gerecht zu
werden.
Ein zentrales Thema des Ozeanbuches war es, die sinnvolle Einrichtung der Welt
an den Erscheinungen der Natur zu zeigen. Es dürfte nicht leicht gewesen
sein, dies auf den Bereich der politischen Geschichte zu übertragen. In
den Historien mußte Poseidonios als historischer Berichterstatter ein
Panorama des Schreckens und der Verfalls entfalten, das nur gelegentlich besser
erträglich wurde durch das Wirken vorbildlicher Gestalten. Es ist gut
möglich, daß Poseidonios das Ziel der allumfassenden Gottheit,
über die er in seinen philosophischen Schriften gehandelt hatte, gar nicht
in der Erreichung des Glücks einzelner Menschen und Völker sah,
sondern einfach in der Erhaltung des Kosmos als Ganzem.
Wer Poseidonios begegnete, war beeindruckt. Es muß ihm, anders als so
vielen Fachgenossen, gelungen sein, Leben und Lehre ohne große
Widersprüchlichkeit miteinander zu verbinden. Seinen Besuchern imponierte
Poseidonios durch die Konsequenz seiner philosophischen Lebensführung. Das
war nicht immer leicht; berühmt wurde eine Vorlesung des schwer an Gicht
Erkrankten über das »Höchste Gut«, in der er trotz aller
körperlichen Schmerzen nicht von der orthodoxen stoischen These abwich,
daß solche Schmerzen keine wirklichen Übel seien.
Als Philosoph hielt er nicht nur Vorträge über die Beziehung von
Theorie und Praxis; er bemühte sich auch darum, seine Erkenntnisse
über politische Fehlentwicklungen und deren Ursachen durch die Beratung
römischer Politiker in die Tat umzusetzen. Durch seinen Einfluß ist
es zu erklären, daß Pompeius im Jahre 67 zur Überraschung seiner
Offiziere die überlebenden kilikischen Piraten nicht hinrichten ließ,
sondern ihnen Siedlungen zuwies, mit der Begründung, daß sie nur
aufgrund ihrer materiellen Not zu Piraten geworden seien.
Die antike Wirkungsgeschichte von Poseidonios' Werk entspricht nicht unbedingt
der heute noch zu erschließenden geistigen Bedeutung. Die
Gründerväter der Stoa vermochte er nicht als Autorität zu
ersetzen, so daß keines seiner philosophischen Werke lange erhalten
geblieben ist. Die Philosophen zitieren ihn weniger als die Mediziner,
Geographen und andere Fachwissenschaftler bis ins 6. Jhdt. n. Chr.; so ist es
verständlich, daß viele der erhaltenen antiken Zitaten die Gedanken
des Poseidonios nur unvollkommen wiedergeben und die modernen Interpreten
seiner fragmentarischen Texte nicht immer einer Meinung sind. Unstrittig bleibt
aber die Universalität seines philosophischen Denkens und Forschens im
Interesse nicht nur einer Gestaltung des individuellen Lebens, sondern auch
einer Verbesserung des Zusammenlebens von Herrschern und Beherrschten in der
gebrechlichen Welt des I. Jhdts. v. Chr.
Sammlung der Fragmente: L. Edelstein & I. G. Kidd (Hrsg.), Poseidonios I. The Fragments, Cambridge, 2. Aufl. 1989; I. G. Kidd, Poseidonios II. The Commentary, Cambridge, 1982; W. Theiler, Poseidonios. Die Fragmente. Berlin, 1982.
Lit.: K. Reinhardt, Poseidonios, München 1921; J. Malitz, Die Historien des Poseidonios, München 1983; I. G. Kidd, Poseidonios, in: Fr. Ricken (Hrsg.). Philosophen der Antike II, Stuttgart 1996, S. 61 - 82.